Sehr geehrte Mitglieder des Innerrhoder Grossen Rats
An der Sondersession vom Dienstag, 16. September, ist das Kantonsreferendum gegen das «Bundesgesetz über die Individualbesteuerung» traktandiert. Die Sozialdemokratische Partei Appenzell Innerrhoden (SP AI) empfiehlt, den Antrag der Standeskommission zur Unterstützung dieses Kantonsreferendum abzulehnen.
Ehepaare werden heute steuerlich anders behandelt als Konkubinatspaare. Das führt in vielen Fällen dazu, dass verheiratete Paare mehr Steuern bezahlen als Konkubinatspaare, weil ihre Einkommen zusammengerechnet werden und sie dadurch in eine höhere Progression geraten. Deshalb ist die Abschaffung der Heiratsstrafe auch eine Frage der Gerechtigkeit und der Gleichstellung von Mann und Frau. Es geht um die finanzielle Unabhängigkeit der Eheleute. Viele Frauen möchten mehr arbeiten. Steuern und Betreuungskosten fressen jedoch mit der Heiratsstrafe den zusätzlichen Lohn wieder auf.
Das Bundesgericht beurteilt diese Heiratsstrafe als verfassungswidrig, weshalb der Missstand zu beheben ist. Zur Abschaffung der Heiratsstrafe gibt es nun zwei Varianten: Entweder einen von FDP, GLP, SP und den Grünen getragener Kompromiss des Bundesparlaments zur Individualbesteuerung; oder eine Volksinitiative der Mitte. Mit dem Kantonsreferendum soll nun der Kompromiss des Parlaments zur Individualbesteuerung verhindert werden. Die Standeskommission argumentiert mit Steuerausfällen und bürokratischem Zusatzaufwand. Mit diesem Kantonsreferendum wird jedoch weder der Ist-Zustand noch die Erarbeitung eines von der Standeskommission angeregten Alternativmodells ermöglicht. Fakt ist: Einzige Alternative zur Individualbesteuerung wäre die Umsetzung der Volksinitiative der Mitte. Mit ihrem Wahlmodell führt diese aber zu weit höheren Einnahmeausfällen und administrativen Aufwänden als die Individualbesteuerung des Parlaments.
Bei der Individualbesteuerung soll jede Person eine eigene Steuererklärung ausfüllen und auf sein Einkommen und Vermögen Steuern bezahlen. Bei verheirateten Personen sollen Steuern künftig genauso wie bei Konkubinatspaaren erhoben werden. Die «Mitte-Initiative» verunmöglicht die Individualbesteuerung auf Verfassungsstufe. Sie wird beispielsweise vielen Einelternfamilien nicht gerecht und setzt keine Beschäftigungsanreize. Anders bei der Individualbesteuerung: Dank ihren Beschäftigungsanreizen würden rund 44‘000 Vollzeitstellen besetzt werden können, was auch den Zuwanderungsdruck reduzieren würde.
Die Abschaffung der Heiratsstrafe führt unausweichlich zu Steuerausfällen. Dank dem Kompromiss im Parlament führt die Individualbesteuerung jedoch zu deutlich weniger Steuerausfällen als die ursprüngliche Vorlage des Bundesrats und die «Mitte-Initiative». Beim Übergang zur Individualbesteuerung fallen zwar mehr Dossiers an. Gleichzeitig entfällt der bürokratische Aufwand zur Aufteilung der Steuerbelastung bei Ehepaaren im Fall von Scheidung oder Todesfall, wie auch zur Zusammenführung bei einer Heirat. Zudem fallen die Querbezüge weg, da Paare unabhängig voneinander steuerlich veranlagt werden. Auch bei der Einführung des Frauenstimmrechts wurde nicht mit bürokratischem Mehraufwand argumentiert, weil die doppelte Anzahl an Stimmzetteln gedruckt und gezählt werden müssen.
Mit der Individualbesteuerung wurde vom Bundesparlament ein ausgewogener Kompromiss gefunden, der die Steuerausfälle reduziert, Ungleichbehandlungen abschafft und Beschäftigungsanreize setzt. Dies lohnt sich auch volkswirtschaftlich, weil dem Fachkräftemangel entgegenwirkt und das inländische Beschäftigungspotential gefördert werden kann. Deshalb ist aus Sicht der SP AI zur Abschaffung der Heiratsstrafe die Individualbesteuerung der «Volksinitiative der Mitte» klar vorzuziehen und somit der Antrag der Standeskommission für ein Kantonsreferendum abzulehnen.
Wir wünschen euch eine konstruktive Sondersession und grüsse euch freundlich
Für die SP AI
Das Co-Präsidium:
Daniela Mittelholzer
Blumenrainstrasse 34
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Martin Pfister
Kaustrasse 197
Schmalzgrüebli
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